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ARGE Geschichteunterricht Bezirk Perg


Die Geschichte der Konzentrationslager
KL GUSEN I und KL GUSEN II

Segment I (Abschnitte 1 bis 4)

verfasst von Judith M. Haunschmied im August 1997

  1. In Österreich schon längst vergessen ...
  2. Die Errichtung des Konzentrationslagers Gusen I
  3. Die Häftlinge
  4. Die Bestandteile des Lagers und die Unterkünfte

  5. Die sanitären Verhältnisse
  6. Das KL Gusen als Tötungsanstalt

  7. Der Arbeitseinsatz in der Rüstungsproduktion
  8. Das Bauvorhaben "Bergkristall" in St.Georgen/Gusen
  9. Die Errichtung des Konzentrationslagers Gusen II
  10. Das Ende der Schreckensherrschaft


1. In ÖSTERREICH schon längst vergessen - in ganz EUROPA ein Begriff

"G-U-S-E-N" - diese fünf Buchstaben lösen bei vielen Personen sehr unterschiedliche Gefühle und Assoziationen aus. Für die Mehrheit der Oberösterreicher bedeutet "GUSEN" nur ein kleiner Fluß im MÜHLVIERTEL oder eine nette Wohnsiedlung im Bezirk PERG nahe der Landeshauptstadt LINZ. Auf den ersten Blick sieht dieser Ort, an dem hübsche Häuser gebaut wurden, die Gärten von Blumen geschmückt und fröhliche Kinder und Menschen anzutreffen sind, auch sehr idyllisch aus. Doch was sich in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in diesem Gebiet zwischen ST. GEORGEN/GUSEN und LANGENSTEIN zugetragen hat, wußten bis vor einigen Jahren nur die Wenigsten.

Die gesamte Umgebung von GUSEN und ST. GEORGEN/GUSEN wurde in den Jahren 1939 bis 1945 zu einem der schrecklichsten und ausgedehntesten Schauplätze des Konzentrationslagerkomplexes MAUTHAUSEN-GUSEN. Die schrecklichen KZ-Lager von GUSEN (GUSEN I und GUSEN II) waren zur Jahreswende 1944/45 mit etwa 25.000 Häftlingen etwa doppelt so groß wie das Hauptlager MAUTHAUSEN selbst. Mit etwa 37.000 Toten stehen die ehemaligen KL Gusen I und KL Gusen II beinahe für ein Drittel der etwa 120.000 KZ-Toten auf heute wieder österreichischem Bundesgebiet (1).

Nicht das uns geläufige KL MAUTHAUSEN, sondern das KL GUSEN stellt für Menschen aus FRANKREICH, POLEN, SPANIEN, ITALIEN, BELGIEN, der SOWJETUNION, UNGARN, dem ehemaligen JUGOSLAWIEN und vielen weiteren Nationen eine der grausamsten nationalsozialistischen Terrorstätten und den Inbegriff der Angst und des Schreckens dar. Die wenigen Überlebenden dieser GUSENER Konzentrationslager, die bis vor kurzem noch als einzige die Gedenkstätten besucht hatten, bezeichnen die Lager von GUSEN als "Hölle auf Erden", "Vorraum zur Hölle", "Hölle teuflischer Mordsucht" oder als "Bahnhof zum Paradies". Einer der GUSENER Häftlinge behauptete einmal:

"Lieber wäre ich zu Fuß nach Dachau zurückgegangen, als in Gusen zu bleiben!"

Rabbi Rav Yechezkel Harfenes:

"Als ein Insasse mehrerer Lager kann ich sagen, daß Gusen das schlimmste war. Das soll nicht bedeuten, daß die Lebensumstände in den anderen Lagern nicht schrecklich waren, aber verglichen mit Gusen könnte man sagen, daß diese anderen Lager Paradiese waren. Der Beweis dafür könnte sein, daß Gusen das am wenigsten bekannte Lager war, nicht weil es kleiner war als andere Lager, aber es war einfach deswegen so unbekannt, weil nur wenige von zehntausenden Häftlingen am Leben blieben, um die Geschichte ihrer Schrecken zu erzählen." (2)


2. Die Errichtung des Konzentrationslagers GUSEN I

Nachdem im August 1938 die ersten Lagerbaracken des KL MAUTHAUSEN errichtet wurden, gingen die SS und die DEST (3), deren ostmärkische Zentrale damals in ST. GEORGEN/GUSEN aufgebaut wurde, bereits vier Monate später (Dezember 1939) daran, das flache Land in unmittelbarer Nähe des KASTENHOFER- und des GUSENER Steinbruches für die Errichtung eines zusätzlichen Konzentrationslagers zu nützen. Das Gebiet um das sich entwickelnde KL GUSEN, das später offiziell als Konzentrationslager MAUTHAUSEN - UNTERKUNFT GUSEN geführt wurde, lag ca. 4,5 km westlich von MAUTHAUSEN bei der Einmündung des Flusses GUSEN in die DONAU, zwischen der Marktgemeinde ST. GEORGEN/GUSEN und der Ortschaft LANGENSTEIN.

Von Anbeginn weg führte man dieses neue KL entsprechend der Zielsetzung "Vernichtung durch Arbeit" , und so kostete bereits die Errichtung der ersten Baracken hunderten Häftlingen das Leben. (4) Der Aufbau des KL GUSEN I erfolgte unter der Leitung der SS-Oberscharführer ANTON STREITWIESER und KURT KIRCHNER. Täglich rückten von einem provisorischen Lager im WIENERGRABEN bei MAUTHAUSEN zwei Arbeitskommandos mit ungefähr 400 deutschen und österreichischen Lagerinsassen aus, die an der Entstehung der ersten Häftlings- und SS-Baracken in GUSEN und am Granitabbau im Steinbruch KASTENHOF beteiligt waren. Im März 1940 waren die ersten drei Häftlings- und mehrere SS-Baracken sowie der provisorische mit Starkstrom geladene Stacheldrahtzaun aufgebaut. (5)

a) Die Bedeutung des KL MAUTHAUSEN/GUSEN im Gesamtkomplex der KL

Das KL MAUTHAUSEN/GUSEN hatte eine Sonderstellung unter allen Konzentrationslagern: Es war das "Mordlager" des DRITTEN REICHES und galt in den Jahren 1940/41 als Vorläufer der Vernichtungslager, da es als einziges Lager der Lagerstufe III einen speziellen Platz für jene Häftlinge bildete, die eine strenge, unerbittliche Behandlung "verdienten", weil sie (nach Meinung der GeStaPo) untauglich waren für jegliche Besserung. Diejenigen, die in das Konzentrationslager MAUTHAUSEN und sein Nebenlager GUSEN eingeliefert wurden, hatten nur mehr geringe Hoffnung, lebendig daraus zurückzukehren. (6)

Mit der Einrichtung der Vernichtungslager in den "besetzten Gebieten" einerseits und der zahlreichen Aussenlager andererseits veränderte sich auch die Funktion des "Stammlagers" MAUTHAUSEN. Es war nun im Gesamtkomplex der Konzentrationslager nicht mehr nur das "Mordlager", sondern es hatte Verwaltungsaufgaben und lenkte die Bewachungsmannschaften zentral. Von hier wurden die Häftlinge je nach dem Arbeitskräftebedarf der Rüstungsfirmen verteilt. Da in den Aussenlagern Kranke unnütz waren, wurden sie nach MAUTHAUSEN in das dortige "Krankenlager" , besser gesagt Sterbelager, rücküberstellt und sofort ermordet. (7)


3. Die Häftlinge

Das Totenbuch von GUSEN, das im Auftrag der SS bis April 1945 genau geführt wurde und jetzt in den USA als kostbares, gerettetes Zeugnis der Verbrechen von damals aufbewahrt wird, gibt über die Häftlinge genauestens Aufschluß:

Das KL GUSEN war vorwiegend mit politischen und kriminellen Häftlingen belegt. Auch Juden, Zigeuener, Homosexuelle und Bibelforscher befanden sich dort. Nach dem Polen- und Frankreichfeldzug wurden vor allem Angehörige der polnischen Intelligenz und sogenannte "Rotspanier" , die nach Beendigung des spanischen Bürgerkrieges nach FRANKREICH geflohen und dort festgenommen worden waren, und ab Herbst 1941 sowjetrussische Kriegsgefangene untergebracht. (8) Die Häftlinge stammten aus allen Bevölkerungsschichten. So gab es zum Beispiel unter den POLEN viele ehemalige Offiziere, Ärzte, Pädagogen, Ingenieure, Arbeiter, Bauern, Kunstschaffende und Priester. Die SPANIER waren vorwiegend Arbeiter, unter ihnen viele Kommunisten, Anarchisten und Sozialisten. (9)

a) Die ersten Einweisungen aus POLEN

Die ersten "Bewohner" der wenigen GUSENER Baracken waren die ca. 300 österreichischen und deutschen Stammhäftlinge und 480 polnische Häftlinge aus BUCHENWALD, die am 9. März 1940 über das MAUTHAUSENER Hauptlager nach GUSEN überstellt worden waren.

CHRISTIAN BERNADAC schreibt in seinem Buch "LE NEUVIÈME CERCLE" ("Der Neunte Kreis") über jene polnischen Häftlinge:

"Ich glaube nicht, daß nur einer dieser Männer die Befreiung erlebt hat, denn es existiert kein einziger polnischer Zeitzeuge aus dieser Periode." (10)

Am 25. Mai 1940 kamen im KL GUSEN weitere 1084 polnische Häftlinge, diesesmal aus dem KZ DACHAU, an. Der Grund für die hohe Anzahl von polnischen Häftlingen war die Anordnung des deutschen Generalgouverneurs HANS FRANK, mit der Beseitigung der Intelligenz und der Widerstandsbewegung in POLEN zu beginnen. In GUSEN führten diese Aktionen zu einem sprunghaften Anstieg der Häftlingszahl, die zu Jahresbeginn 1941 etwa 4.000 betrug. (11)

Alle POLEN kamen ausnahmslos in die Arbeitskommandos der GUSENER Steinbrüche und in die Ziegelei in LUNGITZ (später KL GUSEN III). Kurz vor Arbeitsbeginn wurde den POLEN mitgeteilt, daß nun "die Zeit ihrer Umschulung zu brauchbaren Menschen im DRITTEN REICH" begonnen hat. Einheitlich erteilten die SS-Kommandoführer den Kapos folgenden eindeutigen Auftrag: "Laßt die faulen Hunde, diese polnischen Drecksäcke, ruhig krepieren!" (12)

b) Die Einweisung von SOWJETBÜRGERN

Die höchste Sterberate verzeichnete die sowjetische Häftlingspopulation, die großteils aus sehr jungen, freiwillig angeworbenen oder zwangsrekrutierten Menschen bestand. Die sogenannten "Ostarbeitererlässe" hatten für diese Menschen fatale Folgen, denn sie erlaubten eine völlig willkürliche Einlieferung von Zivilarbeitern aus dem Osten ins KZ. Ab Herbst 1944 erreichten immer mehr Transporte von russischen Kriegsgefangenen das KL GUSEN.

c) Die Einweisung von FRANZOSEN und ITALIENERN

Ab 1943 kamen dann große Kontingente FRANZOSEN und ITALIENER, unter ihnen der später selig gesprochene junge MARCEL CALLO, nach GUSEN, die von den Deutschen nach der Besetzung FRANKREICHS oder ITALIENS als Zwangsarbeiter nach DEUTSCHLAND deportiert worden waren und während dieser Zwangsarbeitszeit durch irgendetwas "negativ" aufgefallen waren: Reden, Denken, Beten, alles konnte einen nach GUSEN bringen. Diese jungen Menschen wurden vor allem im neu errichteten KL GUSEN II bei der Herstellung der riesigen Stollenanlage in ST. GEORGEN/GUSEN "verheizt" .

d) Juden im KL GUSEN

Die Zahl der jüdischen Häftlinge in GUSEN war bis Winter 1943/44 relativ niedrig. Es gibt aus dieser Zeit keinen einzigen Überlebenden. In der NS-Hierarchie ganz unten angesiedelt, waren ihre Lebensbedingungen im Lager unvorstellbar schlecht. (13) Sie lebten nach Zeugnissen überlebender Franzosen dort kaum mehr als eine Woche, wogegen ein "normaler Häftling" doch immerhin drei bis vier Monate überleben konnte.

Ab Sommer 1944 trafen im Zusammenhang mit dem Tunnelbauvorhaben in ST. GEORGEN/GUSEN vermehrt Transporte polnischer und vor allem ungarischer Juden ein, die teils auch aus dem Lager AUSCHWITZ kamen. Dort wurden sie bei einer Selektion gleich nach der Ankunft beim Lagertor von ihren Frauen und Kindern und den alten Menschen getrennt, und soweit es sich um arbeitsfähige Männer und junge Burschen handelte, nach wenigen Tagen nach GUSEN transportiert. Mit mehreren vorhandenen Dokumenten des Holocaust-Zentrums in BUDAPEST konnte erstmals die Deportation von Menschen aus AUSCHWITZ nach GUSEN II nachgewiesen werden.

Ein überlebender Jude berichtete: (14)

"Mit mir kamen nach Auschwitz meine Frau und drei Söhne. Nach der Selektion, die unmittelbar nach der Ankunft in Auschwitz vorgenommen wurde, blieben von der Familie nur ich und zwei meiner Söhne übrig, während meine Gattin und mein dritter, noch im Kindesalter stehender Sohn weggeführt wurden und seither spurlos verschwunden sind. Mein Aufenthalt in Auschwitz beschränkte sich auf nur drei Tage, denn ich kam mit meinen zwei Söhnen in einen Arbeitstransport, der 2000 Mann stark war und in das Arbeitslager von Gusen II abging ...

Von den ungefähr 22.000 Häftlingen, die damals dort beschäftigt waren, unter denen sich politische "Verbrecher" , Kriegsgefangene und Zivilinternierte aus aller Herren Länder befanden, waren wir 2.300 Juden.

Ich muß hinzufügen, daß ich, als ich nach Gusen II kam, dort 16.000 arbeitende jüdische Häftlinge vorfand, und diese Zahl war in den 11 Monaten, die ich in Gusen verbrachte (von Mai 1944 bis April 1945), auf 2.300 zusammengeschmolzen. Allerdings sind von den 13.700, die nicht mehr da waren, nicht alle durch die fortwährenden Züchtigungen getötet worden, sondern es hatten sich auch viele unter ihnen befunden, die in Gusen II krank oder sonstwie arbeitsunfähig geworden und dann weggeführt worden waren." (DAVID MERMELSTEIN)

Die jüdischen Häftlinge wurden beim Stollenbau in GUSEN II oder bei der Flugzeugproduktion eingesetzt und erhielten bewußt so wenig Nahrung, daß sie nach wenigen Wochen starben, bei Unfällen zu Tode kamen oder nach AUSCHWITZ zur Vergasung zurückgebracht wurden, da das GUSENER Krematorium mit der "Arbeit" nicht mehr nachkam.

Als im Februar 1945 das KL AUSCHWITZ vor den herannahenden Sowjets geräumt werden mußte, landeten ganze Züge von Männern, Frauen und Kindern in MAUTHAUSEN und GUSEN, wo sie auf vielfältigste Weise zu Tode gebracht wurden. Dokumentiert ist zum Beispiel die Vernichtung von 420 völlig entkräfteten Kindern im Alter von 4 bis 7 Jahren aus dem Lager AUSCHWITZ durch gleich bei ihrer Ankunft verabreichte Herzspritzen. Andere Kinder ließ man ein paar Wochen im Lager GUSEN II dahinvegetieren. Die Entleerung der Latrinengruben war die Aufgabe der stets kotbespritzten Kinder.

e) Weibliche Häftlinge in GUSEN

GUSEN war lange Zeit ein reines Männerlager. Erst im Herbst 1944 wurden in größerer Zahl mehrere tausend Frauen eingeliefert, die teilweise in den Rüstungsfabriken arbeiten mußten. Allerdings gab es dort schon vorher Frauen, was zumeist vergessen wird.

Im Sommer 1942 wurde sowohl im KZ GUSEN als auch in MAUTHAUSEN ein Häftlingsbordell eingerichtet. MAUTHAUSEN und GUSEN waren die ersten Konzentrationslager, in denen nach einem Besuch des Reichsführers SS HEINRICH HIMMLER Bordelle angeboten wurden. Er ordnete Bordellbesuch als höchste Leistungsprämie nach Zigaretten und 10 bis 40 Pfennig täglichen Akkordlohns an. Ein Geheimbefehl lautete jedoch, daß bei Lagerbesichtigungen Bordelle nicht zu zeigen sind. (15) Das Schicksal der betroffenen Frauen ist kaum dokumentiert, denn nur wenige haben die Lager überlebt. Sie wurden vergast, starben an Geschlechtskrankheiten oder begingen Selbstmord. Es wird geschätzt, daß allein in den Jahren 1940 bis 1942 35.000 Frauen im DEUTSCHEN REICH zur Prostitution gezwungen wurden.

Die Frauen, die für diese Bordelle ausgesucht wurden, so heißt es zumeist, wären Prostituierte gewesen, was sozusagen diesen Beigeschmack der Entschuldigung hat. In Wirklichkeit wäre es für diese Frauen nur die Ausübung ihres "normalen" Berufes gewesen. Mittlerweile weiß man aber relativ genau, daß diese Frauen, die aus dem KZ RAVENSBRÜCK überstellt wurden, vielfach Frauen waren, die mit Prostitution überhaupt nichts zu tun hatten. Man versprach ihnen, daß sie nach mehreren Monaten wieder freigehen dürften, von dem natürlich überhaupt keine Rede war. (16)


4. Die Bestandteile des Lagers und die Unterkünfte

Das auf einer Fläche von ungefähr 350 mal 150 Meter befindliche, mit einem elektrischen Zaun umgebene Schutzhaftlager wurde systematisch ausgebaut. Bis Ende 1943 bestand es aus 32 Baracken, den sogenannten Blocks, die etwa 30 Meter lang und 8 Meter breit waren und auf Holzpfählen standen. Davon waren die Blocks 1 bis 24 Häftlingsunterkünfte, die Baracken 25 und 26 wurden als Werkstätten oder Magazine eingerichtet, und die gesondert eingezäunten Baracken 27 bis 32 dienten als Krankenunterkünfte. Im Unterschied zu den Blocks 27 bis 29, die für chirurgische Zwecke und medizinische Versuche gedacht waren, und zur Baracke 32, die die genesenden Häftlinge beherbergte, stand der Block 31 für eine "Unterkunft" der Vernichtung", aus der die Insassen nicht mehr zurückkehrten.

Im Herbst 1943 wurden zwei Steingebäude für die in der Rüstung eingesetzten Häftlinge errichtet. Im Winter 1943/44 kamen noch 4 Baracken mit der Kennzeichnung A, B, C und D dazu, die, am Appellplatz aufgestellt, vorwiegend Rüstungsfacharbeiter beherbergten. Die Baracken 15 und 16 dienten jahrelang als Quarantäne- und Invalidenunterkünfte und waren auch bestimmten isolierten Häftlingsgruppen wie Juden, sowjetischen Kriegsgefangenen und der Strafkompanie vorbehalten. (17)

Entlang der Stirnseite der Barackenreihen standen langgezogene schmale Holzhütten, die als Waschräume, Latrinen und zur Aufbewahrung von Leichen benutzt wurden. Östlich von den Häftlingsbaracken lag der Appellplatz, wo die Häftlinge bis Sommer 1944 dreimal und nachher zweimal zum Zählen antreten mußten. An der Nordseite des Appellplatzes wurde die Häftlingsküche gebaut. Im Herbst 1942 stellten Häftlingsfunktionäre entlang der südlichen Lagermauer, zwischen dem Jourhaus (Lagereingang) und dem Block 1, eine Bordellbaracke auf.

Auf dem Geländestreifen zwischen der dritten und vierten Barackenreihe wurde an seinem südlichen Ende zu Beginn des Jahres 1941 ein Krematorium errichtet. In ihm befanden sich neben den zwei Verbrennungsöfen ein Kühlraum für die Leichen und ein Sezierraum. Die Öfen lieferte die Firma "Topf und Söhne" aus ERFURT um ca. 9.000 Reichsmark. In der unmittelbaren Nähe des Krematoriums befand sich die offizielle Hinrichtungsstätte. (18)

Um das Häftlingslager war ein mit Starkstrom geladener Drahtzaun gezogen. Vor diesem befand sich lagerwärts ein nicht unter Strom stehender Stolperdraht. Außerhalb des Drahtzaunes in einer Entfernung von drei Metern war ein Postengang angelegt. An dessen äußerer Begrenzung standen sieben bis acht Wachtürme, zwischen denen vermutlich ab 1942 eine ca. 2,20 Meter hohe Steinmauer aufgerichtet wurde. Außerhalb des eigentlichen Häftlingslagers standen zwischen seiner Südseite und der Straße MAUTHAUSEN - ST. GEORGEN/GUSEN die Unterkünfte des Kommandanturstabes und des Wachsturmbannes, die SS-Kantine und die Küche, das SS-Revier, die Bauleitung, Baracken für die Verwaltung und das SS-Führerheim. (19)

Nördlich des Lagers wurde später der Industriehof für die Rüstungsunternehmen STEYR-DAIMLER-PUCH und MESSERSCHMITT AG errichtet. In den Hallen der MESSERSCHMITT AG wurden zunächst Flugzeugteile für die Jäger Me 109 hergestellt, später ging man zur Montage ganzer Flugzeuge über. Die Produktion in den 18 Hallen der STEYR-WERKE lief unter der Tarnbezeichnung "GEORGENMÜHLE" . (20)

Anmerkungen (Zitate)

(1)
Rudolf Haunschmied, Gedenkschrift "50 Jahre Befreiung KL Gusen I und II", S. 2.

(2)
Vgl. Rabbi Rav Yechezkel Harfenes, Slingshot of Hell (BeKaf HaKela), S. 73.

(3)
Die DEST (= "Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH") wurde im April 1938 von der SS in Berlin gegründet und betrieb als erstes Vorhaben den Erwerb und die Inbetriebnahme des Granitsteinbruchs im Wienergraben bei Mauthausen. OSWALD POHL, der Geschäftsführer der DEST, verhandelte bereits im Juni 1938 mit Finanzexperten die Finanzierung des Aufbaues eines Konzentrationslagers, in dem Häftlinge als Arbeitskräfte im Steinbruch herangezogen werden sollten.

(4)
Rudolf Haunschmied, Unsere Heimat - der Bezirk Perg, S. 94.

(5)
Vgl. Stephanie Vitry, Les morts de Gusen, Camp de Concentration Autrichien, S. 5.

(6)
Vgl. Gordon J. Horwitz, Mauthausen, ville d'Autriche, S. 24f.

(7)
Florian Freund, Das weitverzweigte Mordlager, In: Profil-Spezial, S. 66 - 68.

(8)
Sagel-Grande u. a., Justiz und NS-Verbrechen, Band XVII, S. 171

(9)
Hans Marsálek, Gusen, S. 16.

(10)
Vgl. Christian Bernadac, Le Neuvieme Cercle, S. 13.

(11)
Rudolf Haunschmied, Geschichtebuch "300 Jahre Erweitertes Marktrecht St. Georgen a. d. Gusen", S. 78.

(12)
Hans Marsálek, Gusen, S. 6.

(13)
Elisabeth Hölzl, Holocaust in der Literatur, S. 76.

(14)
Holocaust Documentation Center Budapest, Gesammelte Protokolle von jüdischen Überlebenden. Die vom Institut gesendeten Dokumente befinden sich bei Frau Martha Gammer.

(15)
Marianne Enigl, Kleine, schöne Frieda, In: Profil-Spezial, S. 74.

(16)
Karin Lehner, aus dem Journalpanorama vom 4. Mai 1995, Österreichischer Rundfunk.

(17)
Vgl. Christian Bernadac, Le Neuvieme Cercle, S. 18.

(18)
Hans Marsálek, Gusen, S. 6f.

(19)
Sagel-Grande u. a., Justiz und NS-Verbrechen, Band XVII, S. 161.

(20)
Hans Marsálek, Gusen, S. 8.

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