ARBEITSKREIS FUER HEIMAT-, DENKMAL- UND GESCHICHTSPFLEGE ST.GEORGEN/GUSEN
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ARGE Geschichteunterricht Bezirk Perg
Die Geschichte der Konzentrationslager
KL GUSEN I und KL GUSEN II
Segment III (Abschnitte 7 bis 10)
verfasst von Judith M. Haunschmied im August 1997
- In Österreich schon längst vergessen ...
- Die Errichtung des Konzentrationslagers Gusen I
- Die Häftlinge
- Die Bestandteile des Lagers und die Unterkünfte
- Die sanitären Verhältnisse
- Das KL Gusen als Tötungsanstalt
- Der Arbeitseinsatz in der Rüstungsproduktion
- Das Bauvorhaben "Bergkristall" in St.Georgen/Gusen
- Die Errichtung des Konzentrationslagers Gusen II
- Das Ende der Schreckensherrschaft
7. Arbeitseinsatz in der Rüstungsproduktion
Mit schwindendem Kriegsglück des DEUTSCHEN REICHES änderte sich ab
Mitte 1942 der Unternehmensgegenstand für die DEST und das KL GUSEN schnell.
1943 forderte Rüstungsminister SPEER, der GUSEN persönlich besuchte, die
totale Eingliederung sämtlicher Häftlinge in die Kriegswirtschaft.
Für die DEST bedeutete diese Entwicklung die langsame Herabsetzung der
Granitproduktion in den Steinbrüchen.
In GUSEN wurde in dieser Zeit der bereits vorhandene "Industriehof" ,
der aus vielen für den Lagerbetrieb notwendigen Werkstätten bestand, mit den
nicht mehr benötigten Steinmetzhallen zu einem Produktionszentrum der
STEYR-WERKE umfunktioniert. Im Laufe des Krieges wurden von den Steyr-Werken
in 18 Produktionshallen hinter dem Lager unter dem Tarnnamen "GEORGENMÜHLE I, II, III und IV" unzählige
Läufe und Bauteile für Maschinenpistolen, Sturmgewehre und Karabiner
gefertigt. Übereinstimmend berichteten die Häftlinge, daß die Arbeit unter
Dach gegenüber der Steinbrucharbeit eindeutig besser zu überleben gewesen
sei, da sich das Arbeitstempo den Maschinen anpassen mußte.
Außerdem begannen die Amerikaner im Jahre 1943 mit der schwerpunktmäßigen
Bombardierung der für die deutsche Jagdflugzeugproduktion äußerst wichtigen
Produktionsstätten der MESSERSCHMITT AG in REGENSBURG. Als Reaktion auf
diese Angriffe, die ca. 90 % Produktionsausfall verursachten, trat die
Messerschmitt AG an die DEST heran. Diese begann nun, GUSENER Häftlinge
für die Fertigung von Bauteilen und ganzen Rümpfen für den Propellerjäger
ME 109 einzusetzen. Im Sommer 1943 errichtete man dazu die sogenannten
ME-Hallen im Lager GUSEN. (36)
8. Das Bauvorhaben "BERGKRISTALL" in ST. GEORGEN/GUSEN
Ein weiterer Beschluß der obersten Reichsleitung griff noch tiefer in die
Lagergeschichte ein: Als im Jänner 1944 der Zerstörung der deutschen
Jagdflugzeug-Montagewerke von den Amerikanern höchste Priorität eingeräumt
wurde und man mit der groß angelegten Verlagerung dieser Betriebe begann,
begann auch der SS-Führungsstab in GUSEN in enger Abstimmung mit
DIPL.-ING. KARL FIEBINGER37 Maßnahmen betreffend einer entsprechenden
Beteiligung seitens der DEST in GUSEN zu erarbeiten. Unter Einbeziehung
von KZ-Häftlingen sollte die spätere Serienfertigung des ersten einsatzfähigen
Turbinen-Jagdflugzeuges der Welt - der ME 262 - in sicheren, unterirdischen
Montagehallen realisiert werden.
Ab 2. Jänner 1944 wurde daher südwestlich des Marktzentrums in ST. GEORGEN/GUSEN
mit dem Ausbau der wenigen Lagerkeller der ehemaligen ST. GEORGENER BOUBLIK-Brauerei
zu einem der größten jemals errichteten unterirdischen Montagewerke für die
Flugzeugproduktion des DEUTSCHEN REICHES begonnen. An diesem Tage wurden
erstmals "offiziell" 272 Häftlinge vom Hauptlager MAUTHAUSEN
nach dem "Nebenlager"BERGKRISTALL-BAU" überstellt. (38)
Nicht nur die geologischen Voraussetzungen, sondern auch die unmittelbare
Nähe zu dem bereits bestehenden KZ-Lager GUSEN I waren die Gründe für die
Errichtung dieses wahrscheinlich 8. Großbunkers durch den "SONDERSTAB KAMMLER" in
ST. GEORGEN/GUSEN. Nicht nur der geballte Einsatz modernster Maschinen aus
dem gesamten Reichsgebiet, sondern auch der extreme Arbeitseinsatz von
Tausenden unschuldigen Menschen, die als Häftlinge des Konzentrationslagers
GUSEN II durch BERGKRISTALL "aufgerieben" wurden, waren die
"Grundfeste" , auf welcher die Stollen in ST. GEORGEN/GUSEN
errichtet wurden. (39)
9. Die Errichtung des Konzentrationslagers GUSEN II
Die mehr als 50.000 m² (!) große Stollenanlage wurde von Häftlingen des
neu errichteten Konzentrationslagers GUSEN II in nur 13 Monaten unter den
menschenunwürdigsten Bedingungen aus dem Boden gestampft. Der enorme
Häftlingsbedarf stellte für den Bauherrn KAMMLER insofern kaum ein Problem
dar, als dieser als unmittelbarer Vertrauter HIMMLERS jederzeit die
Möglichkeit hatte, neue, unschuldige Häftlinge in das KL GUSEN II
einzuweisen.
Das KL GUSEN II, ein eigenes Nebenlager von GUSEN I, wurde am 9. März 1944
gegründet und war für jene Häftlinge gedacht, die in ST. GEORGEN/GUSEN die
unterirdischen Stollenanlagen zu bauen bzw. die Flugzeugproduktion zu
bewerkstelligen hatten. GUSEN II und die Arbeit in den Stollen von
ST. GEORGEN/GUSEN galten in der Welt als Inbegriff des Schreckens,
den beinahe niemand überlebte.
Über dieses Konzentrationslager, das zu den schlimmsten KL im gesamten
Reichsgebiet zählte, schrieb der diese "Hölle auf Erden" Überlebende
BERNARD ALDEBERT in seinem Werk "Chemin de Croix en 50 Stations -
Kreuzweg in 50 Stationen" :
- "GUSEN II:
- Das schlimmste aller Straflager, die Hölle aller Höllen, das Lager des
Todes, das Lager des Mordes, das Lager des Selbstmords, das Lager des
Wahnsinns. Wo seid ihr, Kameraden, die ihr mit mir an jenem Morgen im April
1944 hier eingeliefert wurdet, wo seid ihr, ihr anderen, die ihr nachgekommen
seid, die Lücken in unseren Reihen immer wieder aufzufüllen?
- GUSEN II:
- Das Lager, von dem man nicht sprechen wird, weil es ein Verichtungslager
war, und weil dort alle umkamen, beinahe alle.
- GUSEN II,
- dessen Name allein genügte, alle Häftlinge von GUSEN I erzittern zu
lassen - dieses Lager, das von allen Kommandos unter der Verwaltung von
Mauthausen als das schlimmste bekannt war.
- GUSEN II
- und seine ungeheure, unterirdische Fabrik.
- GUSEN II:
- Nach BUCHENWALD, nach MAUTHAUSEN, nach GUSEN I ist das nun das Ende
der Geleise auf unserer "Erlebnisfahrt" , die Endstation, auf
die nichts mehr folgt als Nacht, Angst und Tod.
Es gibt kein Zurück - man kommt von GUSEN II nicht nach GUSEN I oder nach
MAUTHAUSEN zurück. Hier sind wir alle nur mehr Abfall. Es gibt nur einen
Ausgang, den großen, den, der durch den Schornstein führt.
Das KL GUSEN II zählte bei seiner Eröffnung nur vier Blocks; einige Monate
später waren es neunzehn. Die Baracken sind sehr viel größer als in den
anderen Lagern, die wir durchlaufen haben. In der Endphase waren in diesem
Lager mehr Menschen als in GUSEN I. An die fünfzigtausend Menschen starben
in diesem Lager oder im Berg, in dem sie achtundzwanzig Kilometer Stollen
gruben." (40)
Die Lebensbedingungen der Häftlinge im KL GUSEN II waren so schlecht, daß
ein kräftiger Mann, der gesund in den Stollen von ST. GEORGEN/GUSEN zum
Arbeitseinsatz kam, mit einer durchschnittlichen Lebensdauer von
maximal 4 Monaten rechnen konnte.
10. Das Ende der Schreckensherrschaft
a) Der Vernichtungsplan
Als schon laufend zahlreiche Bombenangriffe auf ST. VALENTIN und LINZ die
militärische Niederlage des DEUTSCHEN REICHES in unserer Gegend ankündigten,
wurde noch auf höchsten Befehl der Reichsführung die Massentötung aller
Häftlinge in GUSEN vorbereitet. (41) Die Stolleneingänge sowohl in GUSEN
(KELLERBAU) als auch jene des riesigen Labyrinthes "BERGKRISTALL"
in ST. GEORGEN/GUSEN wurden in den letzten Tagen des Krieges mit
Sprengstoff bestückt sowie in GUSEN einige Eingänge auch zugemauert.
Der Gedanke etwa 22.000 Menschen einzumauern, um sie mittels einer
Sprengung zu beseitigen, erscheint unvorstellbar. Doch wie FRANZ ZIEREIS
selbst noch an seinem Totenbett aussagte, sollten die GUSENER Häftlinge
und die Zivilbevölkerung von ST. GEORGEN/GUSEN nach dem Befehl von
Reichsminister HIMMLER den Stollen zugeführt werden und mit 24,5 t Dynamit
vernichtet werden. Daß die Bewohner von ST. GEORGEN/GUSEN als unerwünschte
Zeugen zugrunde gehen sollten, war kaum jemanden bewußt, denn bei Alarm
suchten sie ebenfalls einen Seitenstollen von "BERGKRISTALL" auf.
Es ist heute nicht auszudenken, was mit diesen Menschen beim Zünden der
Sprengladung geschehen wäre, wenn nicht die SS die Nähe zur Front zu
gefährlich gefunden und ab dem 3. Mai die Arbeiten in den Werken völlig
abgebrochen hätte. (42)
Bis heute wird dieser Wahnsinnsbefehl von der Wissenschaft nicht ernst
genommen mit dem Argument, er sei in anderen Lagern (zum Beispiel in EBENSEE)
auch nicht durchgeführt worden. (!)
Mehrere Tage vor dem zu erwartenden "Zusammenbruch" des
GROSSDEUTSCHEN REICHES setzten sich das SS-Führungspersonal und die in den
Stollen arbeitenden Meister und Zivilarbeiter in das "ALTREICH" ab.
Am 3. Mai 1945 wurden dann die in BERGKRISTALL gelagerten, höchst sensiblen
Fertigungsunterlagen in den dort installierten Elektroöfen verbrannt.
Auch Lagerkommandant FRANZ ZIEREIS verließ das Hauptlager. Von den
Amerikanern soll er am 25. Mai mit Hilfe von POLEN in SPITAL AM PHYRN
ausgeforscht, auf der Flucht angeschossen und ins KL GUSEN zurückgebracht
worden sein. Vor seinem Tode wurde der Kommandant von MAUTHAUSEN und
seinen 49 Nebenlagern noch verhört. Sein Tod ist bis heute noch nicht
vollständig geklärt: Die Überlieferung in der Bevölkerung spricht jedoch
von einer Preisgabe des verletzten ZIEREIS an die Justiz aufgebrachter
Häftlinge, von welchen er schwer zugerichtet worden sein soll.
Gerüchten zufolge soll er danach in einem Tümpel, der sich unter den in
GUSEN im Mai 1945 zahlreich vorhandenen Leichenstapeln aus
Eiter, Blut, Kot, Urin und Regenwasser gebildet hatte, ertränkt worden sein.
Tatsache hingegen ist, daß die Leiche des ZIEREIS in den letzten Maitagen
1945 am Halse aufgehängt unweit des Lagertores im KL GUSEN I ausgestellt
war. ZIEREIS soll danach namenlos im ehemaligen SS-Hundefriedhof
verscharrt worden sein. (43)
Anstelle der abziehenden SS sollten Männer der WIENER FEUERWEHR zusammen
mit den verbliebenen SS-Leuten die Sterbenden in Schach halten. Die
Feuerwehrmänner, die im brennenden WIEN samt ihren Autos und ihrer
Ausrüstung so dringend gebraucht worden wären, befanden sich auf Befehl
im KL MAUTHAUSEN und im KL GUSEN. Diese Männer wurden in SS-Uniformen
gesteckt, was eine zusätzliche Schikane war, da die später heranrückenden
Amerikaner sie anfangs tatsächlich für SS-Leute hielten.
Allen Häftlingen war bald klar, daß diese Veränderungen nur ihr gewaltsames
Ende oder die baldige Befreiung bedeuten konnten. Während sich im
KL MAUTHAUSEN ein internationales Häftlingskomitee unter russischer und
spanischer Führung formieren konnte, das in der Stunde der Befreiung die
Ordnung aufrechterhielt, waren die GUSENER Häftlinge zu schwach, um noch
irgendeine Aktivität zu setzen. Wie die amerikanischen Soldaten später
berichteten, konnten die Überlebenden, vor allem im KL GUSEN II, teilweise
nicht einmal mehr die Hand heben, um ihre Befreier zu begrüßen.
b) Der persönliche Einsatz von LOUIS HÄFLIGER für die Befreiung
Am 27. April 1945 kam ein Lastwagenkonvoi des INTERNATIONALEN KOMITEES DES
ROTEN KREUZES über ST. GEORGEN/GUSEN im KL MAUTHAUSEN an. Der Leiter der
Abordnung, der Schweizer Freiwillige LOUIS HÄFLIGER erläuterte dem
Lagerkommandanten ZIEREIS seinen Auftrag, nämlich daß aufgrund einer
Vereinbarung zwischen dem Präsidenten des IKRK und dem Chef der
Sicherheitspolizei ERNST KALTENBRUNNER ein Vertreter des Roten Kreuzes das
Lager betreten und Pakete an die Häftlinge verteilen dürfe. Auch sei
vorgesehen, daß der Delegierte bis zur Auflösung der Lager dort verbleiben
könne. (44)
Sein IKRK-Konvoi kehrte am 28. April in die SCHWEIZ zurück und nahm
Häftlinge aus den westlichen Ländern, vor allem FRANZOSEN mit.
Der Bankbeamte mit Zivilcourage aber blieb und sollte in den nächsten
Tagen zur Rettung tausender Menschenleben beitragen. (45)
"Für die Häftlinge, von denen ich wußte, daß sie in meiner
Umgebung gequält wurden, nahm ich diese Tortur auf mich! An den folgenden
Tagen hatte ich mit Ziereis Besprechungen über die Situation im Lager:
Mangel an Brot, Kleidung, Schuhen und vor allem Mangel an Wäsche. Das
Lager Mauthausen war überbelegt, Gusen I und Gusen II hoffnungslos
überfüllt. Die Kranken lagen zu fünft in den schmalen Lagerbetten, es war
belegt mit 60.000 Menschen, Männern, Frauen und Kindern. Ziereis wußte
nicht, wo ihm der Kopf stand, was ihn aber nicht daran hinderte, jeden
Morgen 30 bis 40 Häftlinge durch Genickschuß zu töten. Er beschleunigte
das Werk der Zerstörung soweit wie möglich. Der Kamin des Krematoriums
rauchte Tag und Nacht. Seit Tagen haben die Häftlinge kein Brot mehr
bekommen. Die hygienischen Zustände sind auf dem Tiefpunkt angelangt.
Ziereis selbst tut so, als ob er darüber bewegt wäre. Er heuchelt Mitleid,
dieser Mann, mit dem ich meine Mahlzeiten einnehmen muß, dieser Unmensch,
welcher eines Tages einen Lastwagen voll Leichen vor das Fenster seiner
Frau fahren ließ und sich noch seines Werkes rühmte."
In der Nacht vom 2. auf den 3. Mai forderte HÄFLIGER seinen Zimmergenossen
SS-Obersturmführer REINER auf, ihm die Befehle mitzuteilen, die im Hinblick
auf die Zerstörung der Lager GUSEN und MAUTHAUSEN gegeben worden waren.
Er mußte schon eine Ahnung vom furchtbaren Vernichtungsplan gehabt haben,
denn er ging mit seinem Verdacht zu ZIEREIS und verlangte, daß der Befehl
zur Zerstörung des unterirdischen Flugzeugwerkes zurückgenommen würde.
ZIEREIS weigerte sich und erklärte, daß es ihm nicht zustünde, Befehle
übergeordneter Stellen zu widerrufen.
Am 5. Mai 1945 schritt LOUIS HÄFLIGER zur rettenden Handlung, die letztendlich
Wesentliches zur Verhinderung des BERLINER Zerstörungsbefehles und zur
Befreiung durch die amerikanischen Truppen beigetragen hat: Im Widerspruch
zu den Statuten des IKRK (!) begab sich HÄFLIGER zum damaligen
Vizebürgermeister ASCHENBRENNER nach ST. GEORGEN/GUSEN, um ihn in den
Vernichtungsplan, der auch seinen Ort betraf, einzuweihen. ASCHENBRENNER
bahnte ihm sodann den Weg durch die damals in der Umgebung von
ST. GEORGEN/GUSEN zahlreichen aufgestellten Panzersperren.
Tatsächlich stießen HÄFLIGER und sein Begleiter REINER im GUSENTAL auf
Höhe des "RIEDERER-HÄUSLS" auf einen Zug amerikanischer Panzeraufklärer,
dessen Kommandant er überreden konnte, ihm zur Befreiung der Lager von
GUSEN und MAUTHAUSEN zu folgen. Die insgesamt 23 Mann umfassende
41. PANZERAUFKLÄRUNGSSCHWADRON DER 11. PANZERDIVISION DER 3. US-ARMEE
wußte von diesen Lagern überhaupt nichts und hatte lediglich den Auftrag,
tragfähige Brücken für den Vormarsch ausfindig zu machen.
Unter dem Kommando von Staff-Sergeant ALBERT J. KOSIEK, der diese
Abweichung vom ursprünglichen Befehl ebenfalls in eigener Verantwortung
trug, zogen die Befreier vom GUSENTAL über die LUNGITZERSTRASSE und
durch den Marktplatz von ST. GEORGEN/GUSEN zu den KZ-Lagern GUSEN I
und GUSEN II. (46)
c) Die Befreiung
Die ersten "richtigen" US-Truppen kamen am 7. Mai 1945 in Form
der 11. Panzer- und 26. Infanteriedivision des XII. Corps der 3. US ARMY
unter General GEORGE S. PATTON nach ST. GEORGEN/GUSEN, wo nach
Beschlagnahme einiger Gebäude sofort eine lokale Militärregierung
des 260. Infanterieregimentes eingesetzt wurde. (47)
Unmittelbar nachdem die zwei Panzer ins Lager kamen, stimmten die vielen
polnischen Häftlinge ihre Nationalhymne "Jeszte Polska Nezhinula"
an. Anschließend wurde der "GUSENER Marsch" , der im KL GUSEN
von JAN GUSZINSKI aus POLEN komponiert wurde, gesungen. (48)
Während im KL MAUTHAUSEN ein Häftlingskomitee über drei Tage die Ordnung
aufrecht erhalten konnte, kam es in den GUSENER Lagern in diesen Tagen
zu einer schrecklichen Lynchjustiz. Jene, die noch dazu fahig waren,
machten sich über die verhaßten Kapos her. Einigen Kapos war die Flucht
gelungen, andere hatten sich rechtzeitig bewaffnet und tyrannisierten
noch wochenlang die Bevölkerung der Umgebung. Die meisten Häftlinge
lagen aber nur kraftlos am Boden.
Die amerikanischen Befreier, die das KL GUSEN II erstmals betraten,
entdeckten das Furchtbare: Die Stapel von Toten, die zwischen den
Baracken lagen, den Schmutz und die wandernden Gerippe, von denen viele
noch Tage nach der Befreiung sterben sollten. Die Erzählungen der
amerikanischen Veteranen bringen sie selbst nach so langer Zeit zu
Tränen, so schrecklich ist die Erinnerung an die Ereignisse:
"Ich konnte meine Stiefel nicht mehr anziehen. Ich warf sie weg, denn
sie waren voll Kot und Blut."
"Sie versuchten, wenigstens unsere Schuhe und Hosen zu berühren, um
sicher zu sein, daß wir da waren."
Die Amerikaner taten was sie konnten: So war das KL GUSEN II so stark
durch Ungeziefer und Epidemien verseucht, daß die Steinbauten kurzerhand
gesprengt und die provisorischen Holzbaracken großflächig niedergebrannt
wurden. Sterbende wurden in den ersten Tagen nach der Befreiung in
Spitäler nach LINZ gebracht, im Gelände des KL GUSEN I wurde ein Spital
errichtet. In der Ortschaft KRUCKENBERG bauten sie eine Zeltstadt auf, um
die Kranken zu pflegen. Trotz all dieser Maßnahmen starben noch etwa
2000 GUSENER Häftlinge. Parteimitglieder und gefangenen SS-Männer wurden
gezwungen, für die vielen Toten Massengräber auszuheben. Da es jedoch viel
zu langsam ging, mußte man aus Linz einen Bulldozer herkommen lassen, der
die etwa zwei Meter tiefen Gräber aushob.
Am Abend des 8. Mai 1945 wurde dann die gesamte Bevölkerung der Gegend
(auch Frauen und Kinder!) ins KL GUSEN gerufen, um an der Beerdigung
teilzunehmen. Vielen Zeitzeugen ist diese Stunde noch heute in schauriger
Erinnerung. Den Anwesenden wurde erst in diesem Moment bewußt, welches
Grauen in ihrer Nachbarschaft an der Tagesordnung gewesen war. (49)
Anmerkungen (Zitate)
- (36)
- Rudolf Haunschmied, Geschichtebuch, S. 86 - 88.
- (37)
- Dipl.-Ing. KARL FIEBINGER betrieb als ausgebildeter Statiker
und Stahlbetonfachmann in Wien ein Büro für Industrie- bauten.
Er verlegte sich Ende 1943 im Auftrag des "Sonderstabes Kammler" auf
die Projektierung und Schaffung der Infrastruktur für unterirdische
Rüstungsbetriebe. Unter seiner Leitung wurde auch das Bauvorhaben
"B9" in Ebensee und Redl-Zipf durchgeführt.
- (38)
- Rudolf Haunschmied, Geschichtebuch, S. 90.
- (39)
- ebd. S. 98.
- (40)
- Elisabeth Hölzl, Holocaust in der Literatur, Übersetzung des
Textes "Chemin de Croix en 50 Stations. De Compiègne à Gusen II
en passant par Buchenwald, Mauthausen, Gusen I" von Bernard
Aldebert, S. 22.
- (41)
- Rudolf Haunschmied, Geschichtebuch, S. 105.
- (42)
- Martha Gammer, in: Euro Journal 1/1996. Nie wieder!
Materialien zu den Kriegs- und Nachkriegsjahren im Mühlviertel. S. 19.
- (43)
- Rudolf Haunschmied, Geschichtebuch, S. 79.
- (44)
- KALTENBRUNNER wollte sich offenbar mit dieser Vereinbarung in
den letzten Tagen des "Dritten Reiches" noch einen guten
Abgang verschaffen. Er glaubte, auch nach der Befreiung in einer
national-österreichischen Regierung eine Rolle spielen zu können.
- (45)
- Martha Gammer, in: Euro Journal 1/1996. S. 20f.
- (46)
- Vgl. Englischsprachiger Erinnerungsbericht von Staff Sergeant
Al Kosiek aus der Kameradschaftszeitung der Eleventh Armored Division.
- (47)
- Rudolf Haunschmied, Geschichtebuch, S. 107.
- (48)
- Vgl. Interview des PR Hans Marsálek mit dem polnischen Häftling Ignaz Nowicki vom 2. 6. 1965.
- (49)
- Martha Gammer, in: Euro Journal 1/96. S. 23.
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